Wahlbetrug in der DDR

"Zettelfalten" statt wählen

Zwar fanden auch in der DDR regelmäßig Wahlen statt, aber sie erfolgten pro Forma und dienten der Legitimierung der SED-Diktatur. Sie waren weder geheim, noch ermöglichten sie eine demokratische "Auswahl" von Parteien, Kandidatinnen und Kandidaten zur Neubestimmung des politischen Kurses. Wählenden wurde ein Wahlzettel mit vorab nominierten Abgeordneten ausgehändigt. Diese Einheitslisten der so genannten "Nationalen Front", in der die SED und die faktisch gleichgeschalteten "Blockparteien" zusammengefasst waren, wurden gefaltet und wieder abgegeben, in der Regel ohne etwas darauf zu markieren.

Dabei achtete das Regime auch auf eine hohe Beteiligung. Wer seine Stimme nicht zeitig abgab, wurde mitunter zuhause aufgesucht und zum Wahlgang aufgefordert, andernfalls musste er mit Repressalien rechnen. Auch wer im Wahllokal eine Wahlkabine aufsuchte, machte sich einer oppositionellen ("staatsfeindlichen") Gesinnung verdächtig. Mit "Nein" konnte man nur stimmen, indem man alle Namen auf der Vorschlagsliste durchstrich, was selten geschah. Bei diesen nicht mit demokratischen Prinzipien zu vereinbarenden "Wahlen" lag die Zustimmung zum Vorschlag der Nationalen Front bis 1986 offiziell stets bei über 99 Prozent.
(Text und Bild Bundeszentrale für politische Bildung )

Stimmabgabe bei den DDR-Kommunalwahlen am 7. Mai in einem Wahllokal in Ost-Berlin. Der ausgehändigte Wahlzettel wurde gewöhnlich nur einmal gefaltet und in die bereitgestellte Wahlurne eingeworfen, ohne eine Wahlkabine aufzusuchen. Geheim und demokratisch waren diese Wahlen nicht.
(© dpa, Roland Holschneider)

Der Wahlbetrug bei den Kommunalwahlen am 7. Mai 1989

Bei den Kommunalwahlen am 7. Mai 1989 war alles wie in den Jahren zuvor. Das Offizielle Wahlergebnis verkündete 99,9% Zustimmung zur Politik der SED.

Aber die Bürger ließen sich den offensichtlichen Wahlbetrug nicht mehr gefallen. Sie gingen zu den öffentlichen Auszählungen nach Schließung der Wahllokale, notierten die Ergebnisse, trugen sie in den Basisgruppen zusammen und verglichen sie mit den offiziellen Wahlergebnissen. Aber das System DDR war nicht mehr in der Lage, den Selbstbetrug zu verhindern: In mehreren Städten hatten die Bürgerrechtler (oft nur in einem Teil der Wahllokale) mehr NEIN-Stimmen gezählt, als in den Meldungen des nächsten Tages verkündet wurden. Der Wahlbetrug war bewiesen!

Die offiziellen Ergebnisse der Wahl erschienen in der SED-Zeitung "Neues Deutschland"DDR (hier die Ergebnisse in der DDR und Auszug Bezirk Suhl)

Samisdat-Publikation nach dem Wahlbetrug 1989

Die Aufdeckung des Wahlbetrugs in Erfurt

Auch in Erfurt wurde ausgezählt: 636 NEIN-Stimmen in einem Viertel der Wahllokale standen der Offiziellen Zahl von 413 NEIN-Stimmen in ganz Erfurt gegenüber.

Gemeinsam mit der Evangelischen Kirche protestierten die Bürgerrechtler gegen die Wahlfälschung. Die Evangelischen Pfarrer verfassten eine Eingabe, die als "Beleidigung und Diskriminierung der Mitglieder der Wahlvorstände" zurückgewiesen wurde. Daraufhin wurde die Eingabe und eine Erklärung zu der Antwort am nächten Sonntag in allen Erfurter Kirchen verlesen. Eine erste Flugblattaktion wurde durch einen IMB ("Schubert") verraten und durch die Stasi verhindert. Ein zweites Flugblatt machte den Betrug bekannt.

Mit Ormig-Vervielfältig hergestelltes Flugblatt über den Wahlbetrug.

(Zum download auf die Bilder klicken) Quelle: Archiv Gesellschaft für Zeitgeschichte

Der Verrat eines IM

Ein Flugblatt in einer Auflage von 1500 Stück sollte über den Wahlbetrug informieren. Durch den Verrat eines IMB, der an der Herstellung beteiligt war, kam es nicht dazu: "Parteiinformation über die Verhinderung einer geplanten Flugblattaktion feindlich-negativer Personen im Stadtgeiet der Bezirksstadt "

Anfrage beim Bürgerdialog im Herbst 89

Auf die zunehmenden Proteste im Herbst 1989 reagierte die Staatsmacht der DDR mit sogenannten Bürgerdialogen. Diesen Dialog in Erfurt am 24.10.1989 im Rathaus eröffnete die Oberbürgermeisterin Rosemarie Seibert und stellte die vorn sitzenden Verteterinnen vor. Bei den Bürgeranfragen kam auch die Wahlfälschung zur Sprache. Die Antwort war "enttäuschend"...

► download als PDF 270 kB  (Quelle: BStU Berlin)

Ausschnitte aus der ganzen Veranstaltung (Quelle: Archiv Gesellschaft für Zeitgeschichte)

Proteste in der ganzen DDR

Auch in anderen GruppenThüringens und in der DDR wurde gegen die Wahlfälschung protestiert.

Berichte von den Wahlen 1989

  • Eure Rede sei ...
    Astrid Rothe-Beinlich über die Aufdeckung des Wahlbetrugs in Erfurt
  • Der Anfang vom Ende
    Rainer Eppelmann (Auszug aus der Dokumentation einer Tagung der Konrad-Adenauer-Stiftung vom 12.5.2004

Flugblatt Arbeitskreis Solidarische Kirche Thüringen

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