Die "Umweltgruppe in der OASE" Erfurt

Im Ergebnis der Friedensdekade 1984 entstand die „Umweltgruppe in der Oase“. Diese Gruppe traf sich in den Räumen der evangelischen Stadtjugendarbeit in der Schillerstraße 42, die als „OASE“ von Stadtjugendpfarrer Aribert Rothe geleitet wurde. In der ersten Zeit des Bestehens dieser Umweltgruppe stand das Problem der Luftverschmutzung noch nicht im Vordergrund, vielmehr wurde sich mit Themen der Haushaltschemie, der umweltgerechten Haushaltsführung und der Rückbesinnung auf umweltschonende Verhaltensweisen beschäftigt. Dahinter stand die Strategie, Konflikte mit staatlichen Stellen zu vermeiden. Eine in der Regler- und Michaeliskirche im Sommer 1987 gezeigte Ausstellung zum Thema „Schöpfungselement Wasser“ fand großen Zuspruch.

Der Erfolg dieser Ausstellung aktivierte die Arbeit stark. Die intensive Behandlung des Problems Luftverschmutzung trat jetzt in den Vordergrund. 

Neben Vorträgen und Informationsmaterial organisierte die Umweltgruppe in der Oase zusammen mit dem Grün-Ökologischen Netzwerk „arche“ und der Evangelischen Studentengemeinde zwei Erfurter Ökumenische Luftseminare mit, die Ende September /Anfang Oktober 1988 und im September 1989 in der Erfurter Michaeliskirche und Stadtmission stattfanden. Die Luftseminare mit bis zu 400 Teilnehmenden – darunter Gäste aus acht Ländern - behandelten die bestehende Umweltproblematik. Ein spezieller Bereich des Seminars stellte die Luftbelastung der Stadt, deren Grenzwerte weit überschritten wurden, die ungenügende Entschwefelung und Entstaubung Erfurter Braunkohle-Heizkraftwerke, sowie die Emission giftiger Abgase aus den Betrieben der Mikroelektronik in den Mittelpunkt. Als illegale Druckschrift (Samisdat) erschien das Erfurter Filterpapier.

Auch der "OASE-Kalender" im Taschenbuchformat, der dreimal in mühseliger Handarbeit im Taschenbuchformat herausgegeben wurde, erfreute sich zahlreicher Nachfrage.

1989 entstand unter Federführung der Pfarrer A. Rothe und J. Staemmler und im Namen des Evangelischen Kirchenkreises Erfurt die Druckschrift Plattformin der Beiträge zum Umweltschutz,  zu den Kommunalwahlen, zur Bildungspolitik, zum Wehrdienst und zur Ausländerproblematik verfasst wurden. Gedruckt wurde sie im Erfurter Jungmännerwerk, sie erschien drei Mal.

Mit Beteiligung von Mitgliedern der Umweltgruppen der OA und der Oase und der Kirche von Unten wurde die Druckschrift Erfurter Schlagloch“ herausgegeben, die in vier Ausgaben erschien (erste Ausgabe am 17.4.1989). Diese illegale Schrift behandelte Themen wie die Umwelt- und Stadtzerstörung Erfurts, Zustände bei Jenapharm (Betriebsteil Erfurt), Niederschlagung des chinesischen Aufstandes, Lage in Rumänien, Rechtsradikalismus in der DDR. Sie wurde später zeitweise auf den Erfurter Demonstrationen verteilt.

Hier, wie auch über anderen Initiativen regimekritischer Gruppen, war das MfS durch Spitzel informiert. Auf einer Leitungssitzung der Bezirksverwaltung des MfS ging es um die „Politische Untergrundtätigkeit“ (PUT). Hierbei traten Meinungsverschiedenheiten bei der Einschätzung „was ist staatsfeindlich“ auf. Zur Druckschrift „Schlagloch“ führte der Leiter der Bezirksverwaltung Generalmajor J. Schwarz aus: Nicht alles ist feindlich, einiges regt auch zum Nachdenken an!

"Erfurter Filterpapier, erschienen beim 2. ökumenischen Luftseminar 22. - 24. 9. 1989 in Erfurt

Ausgabe 3 der „Plattform“. Das Titelbild zeigt eine Karikatur, auf der Karl Marx ein Zitat von ihm an eine Wand malt. (Archiv Aribert Rothe)

Die Ökologiebewegung im kirchlichen Freiraum der DDR

Durch den Ausbau der Industrie in der DDR wurde das Thema des Umweltschutzes und der Umweltverschmutzung immer mehr ins Zentrum gesellschaftlicher Auseinandersetzungen gerückt. Es bildeten sich Gruppen, die gegen Wasserverschmutzung, Smog und Baumsterben angehen und gleichzeitig ein Umdenken in der Industrie- und Gesellschaftsplanung der DDR anregen wollten. Die Regierung betrachtete diese als staatsfeindliche, oppositionelle Gruppierungen und ging gegen Bildung und Aktivitäten vor.

Die Kirchen, vor allem die evangelische, boten dabei einen gewissen Schutzraum, in dem sich Umweltgruppen organisieren, sich untereinander vernetzen und publizieren konnten, um eine möglichst große Anzahl an Personen auf das Thema der drohenden Umweltkatastrophe aufmerksam zu machen.

Verfasser: Dr. Aribert Rothe, Theologe und Erwachsenenbildner, promovierter Erziehungswissenschaftler, bis 2012 Leiter der Evangelischen Stadtakademie „Meister Eckhart“ Erfurt (Evangelische Erwachsenenbildung Thüringen) und Hochschulpfarrer.