Ökumenische Versammlung für Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung in der DDR 1988-89

Die Ökumenische Versammlung für Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung in der DDR war eine der ersten regionalen Versammlungen in Europa im Rahmen des Konziliaren Prozesses, eines gemeinsamen „Lernwegs“ christlicher Kirchen zu Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung. Sie fand in drei Vollversammlungen im Zeitraum zwischen Februar 1988 und April 1989 statt. Weltweit gab es eine Reihe von Ökumenischen Versammlungen für Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung Die Ökumenische Versammlung in der DDR fand 1988/89 kurz vor der Friedlichen Revolution statt und hat darin eine ganz besondere Wirkung entfaltet.

Schritte der Ökumenischen Versammlung

1983: Heino Falcke, der spätere stellvertretende Vorsitzende des Präsidiums der ÖV, und die anderen Vertreter aus den DDR-Kirchen brachten auf der VI. Vollversammlung des ÖRK (Ökumenischer Rat der Kirchen) in Vancouver den Antrag für die Vorbereitung eines Friedenskonzils ein – anknüpfend an Dietrich Bonhoeffer. Später werden eine Europäische Ökumenische Versammlung und eine Weltversammlung vorbereitet.

1986: Der Stadtökumenekreis Dresden bittet am 13. Februar, dem Gedenktag der Zerstörung Dresdens, die Kirchen auf dem Gebiet der DDR, noch vor den Ökumenischen Versammlungen auf europäischer und Welt-Ebene eine Ökumenische Versammlung für Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung (ÖV) in der DDR einzuberufen.

1987: Die Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in der DDR (ACK) beginnt mit der Vorbereitung der ÖV und wendet sich mit dem Aufruf „Eine Hoffnung lernt gehen“ an die Gemeinden, sich mit Vorschlägen an der Vorbereitung der ÖV zu beteiligen.

1988: Über 10 000 Vorschläge gehen aus den Gemeinden ein. Sie werden inhaltlich geordnet und von der 1. Vollversammlung aufgearbeitet. 
Die Ökumenische Versammlung (ÖV) trat mit 146 Delegierten aus 19 Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften vom 12. bis 15. Februar 1988 in Dresden zur 1. Vollversammlung zusammen. Hinzu kamen 27 Berater. Es folgten die 2. Vollversammlung vom 8. bis 11. Oktober 1988 in Magdeburg und die 3. Vollversammlung vom 26. bis 30. April 1989 wiederum in Dresden. Die 3. Vollversammlung nahm 12 Ergebnistexte und weitere Dokumente an

Zur Wahrnehmung der aktuellen Herausforderung hören die Delegierten der 1. Vollversammlung beispielhaft 9 „Zeugnisse der Betroffenheit“ (aktuelle Kurzberichte zu: Ungerechtigkeit sowohl global am Beispiel Nikaragua und Mocambique als auch vor Ort in der DDR, Rüstungs-, Wehrdienst- und Wehrerziehungsproblematik, Schutz des Ungeborenen, Uranbergbau in der DDR, Waldsterben im Erzgebirge).

In den 7 Monaten zwischen der 1. und 2. Vollversammlung arbeiten 13 inhaltlich fokussierte Gruppen an Textentwürfen, die von der 2. Vollversammlung vom 8. bis 11. Oktober 1988 in Magdeburg überarbeitet werden.

Die Textentwürfe der 2. Vollversammlung wurden im Herbst 1988 in 10.000 Exemplaren versandt und in den Kirchgemeinden diskutiert. In Anhörungen diskutierten die Arbeitsgruppen die Textentwürfe mit Fachleuten aus dem säkularen Bereich. Bis Februar 1989 gingen etwa 1400, teilweise sehr ausführliche Stellungnahmen aus den Gemeinden im Dresdner Sekretariat ein.

1989: Während der 3. Vollversammlung vom 12. bis 15. Februar 1988 in Dresden wurden 802 Abänderungsanträge der Delegierten und Berater behandelt. Besonders heftig wurde um das Thema „Mehr Gerechtigkeit in der DDR – unsere Aufgabe, unsere Erwartung“ (Text 3) gerungen[3]. Am 30. April 1989 nahm die 3. Vollversammlung die in 13 Arbeitsgruppen vorbereiteten 12 Texte mit der erforderlichen Zwei-Drittel-Mehrheit an. Lieder („Komm Herr, segne uns, dass wir uns nicht trennen …“), Fürbitten, Tag- und Nachtgebete, Gottesdienste begleiteten alle drei Vollversammlungen.

Ergebnistexte

Die 3. Vollversammlung nahm 12 Ergebnistexte und weitere Dokumente an:  

   1. Umkehr zu Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung / Theologische Grundlegung
   2. Solidarität
         1. Leben in Solidarität - eine Antwort auf weltweite Strukturen der Ungerechtigkeit
         2. Leben in Solidarität mit Ausländerinnen und Ausländern
   3. Mehr Gerechtigkeit in der DDR - unsere Aufgabe, unsere Erwartung
   4. Der Übergang von einem System der Abschreckung zu einem System der politischen Friedenssicherung
   5. Orientierung und Hilfen zur Entscheidung in Fragen des Wehrdienstes und der vormilitärischen Ausbildung
   6. Aspekte der Friedenserziehung
   7. Kirche des Friedens werden
   8. Auf der Suche nach einer neuen Lebensweise in der bedrohten Schöpfung
   9. Den Menschen dienen - das Leben bewahren
  10. Ökologie und Ökonomie
  11. Energie für die Zukunft
  12. Der Wert von Information für Umweltbewußtsein und -engagement

Unter den weiteren Dokumenten befindet sich auch ein „Brief an die Kinder“, in dem einleitend das Anliegen der ÖV erklärt wird: „Die Erde, auf der wir leben, ist sehr bedroht. Schuld daran sind wir, die Erwachsenen. Aber einige haben es doch noch gemerkt. Deswegen haben sich zum dritten Mal viele Menschen getroffen, um darüber nachzudenken, was zur Rettung der Erde geschehen muss...“
(aus Wikipedia)

begleitende Termine in Erfurt

12. bis 15. 2. 1988 Dresden 1. Vollversammlung

10.-12.6.1988               Kirchentag Erfurt „Umkehr führt weiter“

20.9. 1988 16.30          Das Kontakt-Büro zur Ökumenischen Versammlung wird im kath. Pfarrhaus Schillerstr. 5 eingerichtet.

8. – 11. 10. 1988 Magdeburg 2. Vollversammlung

25.10.1988 19.30?       Augustinerkloster Bericht von der ÖV Dr. Heino Falcke und Gerlinde Harbig

6.-16-11. 1988              Friedensdekade mit Veranstaltungen auch im Bezug zur ÖV

5.12.1988 15.00           Auswertung Friedensdekade? Büro

5.1.1989 17.00             Dalbergsweg V. 14.1.

10.1.1989 17.00           Büro Schillerstr. 5

14.1.1989                      Augustinerkloster Tagung zu Text 3 "Mehr Gerechtigkeit in der DDR"

28.2.1989 17.00           Büro Schillerstr. 5

28.3.1989 17.00           Büro Schillerstr. 5

25.4.1989 16.30           Büro Schillerstr. 5

26. bis 30. 4. 1989 Dresden 3. Vollversammlung

3.5.1989 19.30             Augustinerkloster Bericht von der ÖV Dr. Heino Falcke und Gerlinde Harbig

30.5.1989 17.00           Büro Schillerstr. 5

19.6.1989 20.00           Treff Büro Schillerstr. 5

20.6.1989 16.30           Büro Schillerstr. 5

25.7.1989 16.30           Büro Schillerstr. 5

29.8.1989 16.30           Büro Schillerstr. 5

31.10.1989 17.00         Büro Schillerstr. 5

7.11.1989 16.30           Büro Schillerstr. 5

Ab jetzt trifft sich eine Vorbereitungsgruppe der Friedensgebete und Demonstrationen jeden Dienstag 16.30 bis Dez. 1989

12.-22.11.1989            Friedensdekade mit Veranstaltungen auch im Bezug zur ÖV

 

Tagung am 1. 12. 2012

„Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung“ : Eine Hoffnung geht weiter?

Der Konziliare Prozess und die Zivilgesellschaft heute.

Am 1. Dezember 2012, 13 bis 21 Uhr, Erfurt, in der dann neu eröffneten Bildungs- und Gedenkstätte der ehemaligen Stai-U-Haft Andreasstraße

u.a. mit Dr. Heino Falcke, Dr. Steven Brown, Dr. Martin Böttger, Prof. Dr. Heinz-Günther Stobbe, Bernd Winkelmann, Annemarie Müller, Margarethe Misselwitz, Philipp Brückner.

mehr dazu

Weblinks & Literatur

  1.  Ökumenische Versammlungen auf oiko.net 
    Infos bei Wikipedia
  2. die Europäischen Ökumenischen Versammlungen
  3. die Ökumenische Versammlung für Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung in der DDR 1988 / 89 in Dresden
  4. die Ökumenische Weltversammlung zu Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung 1990 in Seoul
  5. die Charta Oecumenica 2001
  6.  Ergebnistexte auf oikoumene.net
  7.  Ökumenisches Informationszentrum e.V. Dresden
  8.  Versammlung in Erfurt
  • Aktion Sühnezeichen / Pax Christi (Hg.), Ökumenische Versammlung für Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung, Dresden - Magdeburg - Dresden. Eine Dokumentation, Berlin 1990
  • Katharina Kunter: Erfüllte Hoffnungen und Zerbrochene Träume. Evangelische Kirchen in Deutschland im Spannungsfeld von Demokratie und Sozialismus (1980–1993), Vandenhoeck und Ruprecht, Göttingen 2006, ISBN 978-3-525-55745-7
  • Katharina Seifert: Durch Umkehr zur Wende. Zehn Jahre „Ökumenische Versammlung in der DDR“ - eine Bilanz. Benno-Verlag, Leipzig, ISBN 3-7462-1306-1
  • Katharina Seifert: Glaube und Politik. Die Ökumenische Versammlung in der DDR 1988/89. Benno-Verlag, Leipzig 2000, ISBN 3-7462-1362-2
  • Antrag der Delegierten aus der DDR an die 6. Vollversammlung des ÖRK, Vancouver/Kanada 1983, in: Theologische Studienabteilung beim Bund der Evangelischen Kirchen in der DDR (Hrsg.), Konziliarer Prozeß, Berlin/DDR 1985 (Information und Texte Nr. 14).
  • Christof ZiemerDer konziliare Prozeß in den Farben der DDR. Die politische Einordnung und Bedeutung der Ökumenischen Versammlung der Christen und Kirchen in der DDR für Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung, in: Deutscher Bundestag (Hg.), Materialien der Enquete-Kommission „Aufarbeitung von Geschichte und Folgen der SED-Diktatur in Deutschland“, Band VI/2, S. 1430-1635
  • Christian Sachse [Hrsg.]: "Mündig werden zum Gebrauch der Freiheit". Politische Zuschriften an die Ökumenische Versammlung 1987-89; Münster 2004; ISBN 3-8258-7844-9