Ein heiterer Nachruf auf die Räume der Erfurter "Oase"
VON ARIBERT ROTHE
Im September 1984 war sie als "OASE der Evangelischen Stadtjugendarbeit" eröffnet worden, im September 1997 wurde sie besenrein geräumt - die Teilwohnung im kirchgemeindeeigenen Haus der Erfurter Schillerstr 42.
Mit viel bunter Farbe, 300 Mark und großem Elan hatten junge Leute und in einer Aufbaurüste den schäbig gewordenen Glanz der hohen Zimmer aus der Gründerzeit originell aufpoliert. "Aktion Sammeltasse" und gespendete alte Möbel, bezogene Matrazen, Kisten, selbstgemachte Plakate schufen das leicht schmuddelige Vorwende-Flair; Der Ikea-Stil zog erst ein, als auch kirchliche Jugendarbeit von Staats wegen förderfähig geworden war. Der kleinste Raum war dem "Oasenwächter" vorbehalten -Jugendliche wohnten sich hier frei und übernahmen dafür wichtige Aufgaben der Selbstverwaltung. Dadurch wurde die Schlüsselfrage auch als Machtfrage gelöst.
Die Unverwechselbarkeit des übergemeindlichen Treffpunktes zog zu DDR-Zeiten nicht nur Jugendliche an. Ehrenamtliche veranstalteten fast drei Jahre lang die "Kinderoase" als offenen Spieltreff. Die "Umweltgruppe in der Oase" wurde mit ihren "Grünen Abenden", intensiven thematischen Untergruppen wie "Luftverschutzung", "Gemeindeaufklärung" oder " Wahlvorbereitung", den selbst erarbeiteten Wanderausstellungen, dem Lese-Cafe für ökologische Informationen und andere Aktionen weithin bekannt. Jugendliche, Zwanziger und Ältere arbeiteten erstaunlich gut zusammen.
Der Evangelische Stadtjugendrat hatte hier seinen Sitzungsort und lieferte damit das offizielle Standbein, nicht zuletzt für die Mietzahlungen des Kirchenkreises. Ökumenische Vorbereitungsgruppen fur Stadtjugendtage u.ä. konnten hier ungestört arbeiten. An den Freitagabenden, die in den ersten Jahren stark themenorientiert waren, entstand eine lebendige Mischkultur: Engagierte Mitglieder Junger Gemeinden trafen hier zusammen mit Suchenden, die nicht kirchlich sozialisiert waren. Jugendbildung und Geselligkeit, Andachten und Feiern fanden großes Interesse, Paddelrüstzeiten stärkten Gemeinschaft und Glauben. Die monatliche Vortragsreihe "Psychologie und Glaube" oder "Auslese -Autoren von heute und Autoren der Bibel" führten sogar Eltern herein. Liedermacher und Schriftsteller wie Lutz Rathenow oder Gabriele Eckart löckten wider den Stachel. Ausreiseantragsteller kamen gern, weil sie nicht diskriminiert wurden und Beratung erhielten.
Rathaus und Stasi verbanden mit der "Oase" bald ein klares Feindbild. Aber die geplante Infiltration mißlang. Bis auf lM "Marina" muß ten die Spitzel von außen herangeführt werden und blieben völlig einflußlos. Doch zum 1. Mai 1988, als die Oase angeblich eine "Gorbi" – Demonstration plante, wurden Jugendliche einzeln aufgesucht und massiv eingeschüchtert, weiter die Oase aufzusuchen. Die kleine verbliebene Schar reagierte auf die die depressive Stimmung mit einer Renovierung.
Das Aufleben kam erst zur Wendezeit. Die neue Situation brachte völlig neue Arbeitsformen hervor. Ein Büro wurde eingerichtet, ABM- und AFG- Anstellungen genutzt. Einschließlich Stadtjugendwart Zivi waren so bis 1996 acht Mitarbeitende für Jugendarbeit angestellt. Hauptzielgruppe wurden die Kinder. Die Nische im Mietshaus hat 13 Jahre ihren Dienst getan - kein Grund zu einem traurigen Abschied. Denn inzwischen ist mitten in der Stadt das Evangelische Jugendzentrum im Predigerkeller eröffnet worden und lädt öffentlich ein.
Programm der OASE und der Evangelischen Stadtjugendarbeit April - Juli 1987