Eröffnung und Beginn der Arbeit in der Bildungs- und Gedenkstätte Andreasstraße Erfurt
Die Bildungs- und Gedenkstätte in der ehemaligen Stasi-U-Haft Andreasstraße Erfurt wurde am 3. 12. 12 eröffnet. Ein Jahr später, am 4. 12. 2013 eröffnete die fertig gestellte Dauerausstellung.
Rede von Barbara Sengewald (Gesellschaft für Zeitgeschichte)
Am Morgen des 4. Dezember 1989 forderten die Bürgerinnen und Bürger in der hier unmittelbar benachbarten Stasi-Bezirksverwaltung Einlass. Sie wollten diesen als „Schwert und Schild der Partei“ bezeichneten Geheimdienst der SED auflösen, aber die Zeugnisse seines Wirkens, die Akten, als Beweise des
Unrechts vor der Vernichtung bewahren.
Es gibt ein Foto von diesem Tag, wo eine Menschenmenge vor der Tür der U-Haft steht und auch dort Einlass forderte. Und an dem vergitterten Fenster daneben hatte jemand auf eine Pappe geschrieben „Was wird hier vertuscht?“ Damit nicht weiter vertuscht werden konnte, wurden in dem durch die Amnestie fast leerstehenden Gefängnis, dort, wo bisher die Stasi ihre Gefangenen untergebracht hatte, die Akten aus den aufgelösten Kreisdienststellen zeitweilig eingelagert.
Nicht mehr politische Gefangene, sondern die Dokumente der Überwachung, Unterdrückung und Zersetzung eines gegen die eigene Bevölkerung gerichteten Geheimdienstes wurden jetzt hier sicher verwahrt. Die Akten und die ehemalige Stasi-Haftetage blieben so erhalten.
Gut 10 Jahre später wurde der übrige Teil der U-Haft geschlossen.
Und heute wird nun hier das sanierte Gebäude der Bildungs- und Gedenkstätte an den Träger übergeben.
Aber der Weg bis hierhin war nicht leicht.
Der Hinweis eines Denkmalpflegers an uns, dass an den Abriss des Gebäudes gedacht ist, führte zu gemeinsamen Bemühungen mit der Landesbeauftragten und ihrer Mitarbeiter/innen um den Erhalt – das gelang.
Die Öffnung mit den Kunstprojekten unter dem Titel „Einschluss“ ließ auch Menschen hierher kommen, die aus politischen Gründen hier inhaftiert waren und nun über ihre Erlebnisse– teilweise das erste Mal – offen redeten, und später ihre Erfahrungen als Zeitzeugen weitergaben.
Bürgerrechtler, ehemalige politische Gefangene, hauptberuflich und ehrenamtlich in der Aufarbeitung der SED-Diktatur Tätige engagierten sich für das gemeinsame Projekt.
Aber die Erarbeitung einer Konzeption führte dann zu Streit, in dem Ziele, die doch zusammengehören, auseinander dividiert und als Gegensätze bekämpft wurden. Leider wurden dabei Auseinandersetzungen von einigen auch mit populistischen Verkürzungen und Polemik ausgetragen.
Wir haben dadurch viel Zeit verloren und Kräfte verzehrt.
Jetzt stehen die Vereine, die Zeitzeugen mit unterschiedlicher Geschichte und teils unterschiedlichen Anliegen repräsentieren, wieder gemeinsam hier, in gegenseitiger Anerkennung der Unterschiedlichkeit, aber mit dem gemeinsamen Engagement für diese Bildungs- und Gedenkstätte.
Das ist ein gutes Zeichen.
Was für uns als Akteure der friedlichen Revolution besonders wichtig ist, habe ich schon 2007 bei der Eröffnung des 3. Einschluss-Projektes hier an diesem Ort gesagt.
Ich zitiere:
„…uns ist dreierlei dabei wichtig: Erinnern, Gedenken und Lernen.
Der Ort soll erinnern, wie in einer Diktatur Menschen ihrer Rechte und ihrer Würde beraubt werden, wie sie bedrängt, bevormundet, kriminalisiert und um ihr Leben gebracht wurden.
Der Ort soll der Menschen gedenken, die hier als politische Häftlinge waren. Die hier litten und deren Leben dadurch einschneidend verändert, und manchmal sogar vernichtet wurde.
Aber er soll auch ein Ort sein, wo daraus gelernt wird. Zu lernen, wie Diktaturen funktionieren und wie Menschen in Diktaturen funktionieren, kann helfen, neue Diktaturen zu verhindern. Zu lernen, wie Menschen sich gegen Diktaturen auflehnen und ihnen widerstehen, kann helfen, die gewonnene Freiheit unverlierbar zu machen.
Dieses Gefühl, mit erhobenen Haupt und aufrechtem Gang die Gesellschaft mit zu gestalten, wie wir das erlebt haben, als wir 1989 hier die Türen aufmachten, werde ich nie vergessen. Und wir dürfen es nie vergessen. Auch in der demokratischen Ordnung der Bundesrepublik gibt es Situationen, in denen die
Würde und Freiheit von Menschen angemahnt, eingefordert und verteidigt werden muss. In der Zivilgesellschaft, aber auch gegenüber den staatlichen Gewalten.
Deshalb ist dieser Ort der Aufarbeitung der DDR zugleich ein Ort der politischen Bildung. Ein Ort, der Zivilcourage, Bürgerengagement und Mitverantwortung befördern soll.“
Dies wird nun Inhalt der Dauerausstellung und der Arbeit der Bildungs- und Gedenkstätte werden. Das ist in dieser Kombination einmalig, ist damit Begründung, Ziel und Anspruch zugleich.
Vielen ist dies zu verdanken, die aber nicht alle, ohne jemanden zu vergessen, namentlich genannt werden können. Deshalb lasse ich Namen ganz weg.
Ich danke dem, der schon ab 2002 nach der Schließung der Haftanstalt immer wieder darauf gedrungen hat, dass dieses Gebäude erhalten bleibt und mit Leben erfüllt wird.
Ich danke demjenigen vom Denkmalschutz, der uns über die Abrisspläne informiert hat und dann auch die Landesbeauftragte angerufen hat.
Ich danke dem, der besonders für die ersten Einschluss-Projekte Künstler aus aller Welt geholt hat und mit seiner eigenen und deren künstlerischen Sprache die Geschichte dieses Hauses in die Öffentlichkeit gerückt hat.
Ich danke all denen, die in jahrelanger ehrenamtlicher Arbeit in den verschiedenen Gremien viele Gedanken und Ideen eingebracht haben; so das jetzige Konzept des Gedenkens, Erinnerns und Lernens auf den Weg gebracht haben und nun an der Umsetzung weiter mitarbeiten.
Ich danke allen, die fachliche Kompetenz und Erkenntnisse ihre Arbeit als Historiker, Berater, Pädagogen und Gedenkstättenleiter eingebracht haben.
Ich danke allen, die sich trotz persönlichen Angriffen, Enttäuschungen und unerfüllt gebliebenen Erwartungen nicht von diesem Weg haben abbringen lassen, nicht resigniert haben.
Ich danke denen, die immer wieder den Weg zur Verständigung gesucht haben.
Ich danke allen, die sich als Zeitzeugen zur Verfügung stellen und durch die Erzählung ihrer oftmals bewegenden und schweren Schicksale an der wirksamen Weitergabe von Geschichte mitwirken.
Ich wünsche uns für das was vor uns liegt - die Gestaltung der Ausstellung und die Arbeit der Bildungs- und Gedenkstätte - dass es uns gelingt, den nun gemeinsamen Weg mit genauso viel Engagement fortzusetzen.